Welche Vorteile hat eine Dachbegrünung?

Ein Artikel von
Daniel Porzig
Aktualisiert am:
1/6/2024
Lesezeit:
10 Minuten

Das Wichtigste in Kürze

  • Dachbegrünung ist ein entscheidender Beitrag, um den Verlust von natürlichen Lebensräumen auszugleichen, die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern und lebenswerte Städte zu schaffen.
  • Konkret dient es als Schutz vor Starkregenereignissen, natürliche Abkühlung der Innenstädte, Energieeinsparungen (Kühlung im Sommer und Dämmung im Winter), Verdopplung der Lebensdauer der Dachabdichtung, Schaffung neuen Lebensraum für Tiere, Effizienzsteigerung von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) und Verringerung der CO2- und Feinstaubbelastung.
  • Der IPCC Report der Vereinten Nationen von 2023 bestätigt die Wichtigkeit von mehr Dachbegrünung.1

Vorteile Dachbegrünung - Eine wissenschaftliche Betrachtung

Der Klimawandel stellt uns vor gewaltige Herausforderungen, insbesondere in dicht besiedelten Städten, wo extreme Wetterereignisse wie lang anhaltende Hitzeperioden, heftige Starkniederschläge und Überschwemmungen besonders spürbar sind. Um diesen Problemen zu begegnen, ist eine zweigleisige Strategie erforderlich: die Reduzierung von Treibhausgasen und die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels. Mehr Grünflächen wirken sich direkt auf beide Strategien aus und führen zu lebenswerteren Städten. Folgende positive Wirkungen bietet eine Dachbegrünung:

Darstellung einer extensiven Dachbegrünung

CO2 und Feinstaubbindung

Zur CO2-Bindung liegen zum Teil sehr unterschiedliche Studien vor. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen geht von 0,8 kg/m²/Jahr aus.3 Bei einer Dachfläche von 100 m² können somit über die durchschnittliche Lebensdauer von 40 Jahren 3,2 t CO2 eingespart werden. Dies entspricht bei einem durchschnittlichen Verbrauch eines Verbrennungsmotors von 15 kg pro 100 km einer Strecke von ca. 21.333 km - etwas mehr als sieben Mal die Strecke von Berlin nach Lissabon.

Zusätzlich werden bis zu 10 g Feinstaub PM10 pro Quadratmeter gebunden, davon 9 g des besonders gefährlichen Feinstaubs PM2,5. Dieser kann in die Bronchien eindringen und zu Atembeschwerden, Lungenentzündungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Daher kann insbesondere die Begrünung einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität leisten.4

Verdopplung Dachlebensdauer

Eine Dachabdichtung ist permanent UV-Strahlung, Hagel und starken Temperaturschwankungen ausgesetzt. Insbesondere die großen Temperaturunterschiede von bis zu 80 Grad Celsius im Sommer und bis zu -20 Grad Celsius im Winter. Auch plötzliche Temperaturschwankungen, z.B. an einem heißen Sommertag, an dem es plötzlich regnet und dadurch Temperaturschwankungen von bis zu 50 Grad Celsius auftreten, belasten die Dachabdichtung erheblich.

Eine herkömmliche Bitumenabdichtung hat eine durchschnittliche Lebensdauer von 20 Jahren und eine Sanierung der Dachabdichtung kostet in der Regel ca. 35 € pro m². Mit einem Gründach kann die Lebensdauer der Dachabdichtung durch die zusätzliche Schutzschicht auf 40 Jahre erhöht werden. Die Dachbegrünung spart somit eine Dachsanierung, die durchschnittlich 3.500 € bei 100 m² kostet.

Bei fachgerechter Ausführung und dauerhafter Pflege kann die Dachabdichtung auch wesentlich länger halten. Es gibt Beispiele von Dächern mit einer Lebensdauer von über 100 Jahren. Häufig muss die Dachbegrünung eher wegen eines Abrisses oder einer Totalsanierung des Gebäudes entfernt werden als wegen einer Beschädigung der Dachbegrünung.

Hochwasserschutz

Der Klimawandel führt zu häufigeren und intensiveren Starkregenereignissen. Überschwemmungen sind die Folge. Bei herkömmlichen Dachflächen gelangt der Niederschlag ohne nennenswerte Verzögerung direkt in das begrenzte Kanalnetz. Ein drastisches Beispiel ist die Hochwasserkatastrophe von 2021, die Schäden in Milliardenhöhe verursachte.6 Durch die Dachbegrünung wird das Dach zu einem Schwamm, der 75-90% des Gesamtniederschlages im Substrat und in den zusätzlichen Wasserspeicherelementen der Dachbegrünung zurückhält.5 Dachbegrünung dient somit als wichtiger lokaler Wasserspeicher und Schutz vor Hochwasser.

Abkühlung der Innenstädte

Durch den Klimawandel nimmt die Anzahl der Hitzetage (Tage mit Temperaturen über 30 °C) zu, wie in der untenstehenden Abbildung dargestellt. Das Jahr 2022 war eines der Jahre mit den meisten Hitzetagen, an deren Folgen laut RKI 4.500 Menschen starben. Besonders betroffen sind ältere Menschen über 85 Jahre, Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Kleinkinder.7

Besonders deutlich wird dieses Problem in den Innenstädten, die sich überproportional aufheizen. Gebäude und Straßen speichern die Wärme effizient und verhindern eine nächtliche Abkühlung. Die Stadt wird zum "Backofen". Der Unterschied zwischen der Berliner Innenstadt und dem Umland beträgt in den Sommermonaten bis zu 9 Grad.8

Begrünte Dächer wirken wie eine grüne Klimaanlage und tragen langfristig zur Schaffung lebenswerter Städte bei, indem sie die Umgebungsluft durch Verdunstung von Wasser durchschnittlich um 1,34 °C (1°C - 2,3 °C) abkühlen. Dadurch wird der so genannte Wärmeinseleffekt reduziert.20

Insbesondere im Wohnbereich schafft ein Gründach ein angenehmes Wohnklima. Herkömmliche Dachabdichtungen heizen sich auf bis zu 80 °C auf, eine Dachbegrünung nur auf bis zu 30 °C. Dies führt zu einem angenehmeren Wohnklima in den oberen Stockwerken und kann die Kühlkosten im Sommer um bis zu 10 % senken.9 Dadurch kann auf umweltbelastende Klimaanlagen verzichtet werden. Unsere Kunden berichten immer wieder von der spürbaren Kühle, die ein begrüntes Dach im Sommer bringt.

Energieeinsparung

Die Dachbegrünung dient als zusätzliche Schutzschicht an der Stelle, an der die meiste Wärme verloren geht - dem Dach. Die tatsächliche Einsparung hängt vom Sanierungszustand des Daches ab. Bei einem neu gedämmten Dach ist die Einsparung deutlich geringer als bei einem veralteten Dach. Die Dachbegrünung wirkt als zusätzliche Dämmschicht und reduziert den Wärmeverlust im Winter gegenüber einem Kiesdach um 3 - 10 %.10 Dies führt einerseits zu einer Kostenersparnis und andererseits zu einer CO2-Einsparung von ca. 4,4 kg CO2/m²/Jahr.11

Lebensraum für Tiere

In den letzten 27 Jahren ist die Gesamtmasse der Insekten um 75% zurückgegangen.21

Jedoch spielen Insekten eine wichtige Rolle im Naturhaushalt, zum Beispiel als Nahrungsquelle für Vögel. Darüber hinaus ist die Bestäubungsleistung von Bienen und anderen Bestäubern von unschätzbarem Wert für den Anbau von Obst und Gemüse durch den Menschen. Weltweit sind drei Viertel aller Nutzpflanzen - wenn auch in unterschiedlichem Maße - auf Bestäubung angewiesen.

Begrünte Dächer leisten einen wichtigen Beitrag gegen das Insektensterben, indem sie durchschnittlich 10 Tieren wie Bienen, Vögeln, Käfern oder Schmetterlingen pro Quadratmeter einen Lebensraum bieten.13 Es wurden bereits 236 gefährdete Wildbienenarten auf begrünten Dächern nachgewiesen.14 Begrünte Dächer dienen der Biotopvernetzung, um Distanzen zwischen natürlichen Lebensräumen im urbanen Raum zu überbrücken und so die Ausbreitung von Tier- und Pflanzenarten zu ermöglichen.

Für besonders tierfreundliche Dächer gibt es so genannte Biodiversitätsdächer. Hier werden Totholz, Insektenhotels oder auch Sandanhäufungen installiert, um unterschiedlich attraktive Lebensräume für Tiere zu schaffen. Die häufigste Frage an dieser Stelle lautet: Kommen durch diese Insektenvielfalt auch mehr Insekten ins Haus? Nein, im Gegenteil, Insekten schätzen den ungestörten, grünen Lebensraum und haben kein Interesse, sich ins Haus zu verirren.

Lebensqualität

Abhängig davon wie das Dach gelegen ist, kann mit einer Gründach eine atemberaubende Optik geschaffen werden. Statt eines langweiligen, grauen Daches siehst du eine lebendige, grüne Landschaft. Das Gebäude wird zum Blickfang in der Umgebung. Studien zeigen, dass der Anblick von Grünflächen sich positiv auf unsere mentale Gesundheit auswirkt und hilft Stress abzubauen. Ausserdem verbessert es unsere Stimmung, macht uns positiver und leistungsfähiger. Somit schafft Dachbegrünung nicht nur eine ästhetische Bereicherung, sondern auch eine wohltuende Umgebung.15

Effizienzsteigerung von PV-Anlagen

Die optimale Umgebungstemperatur für die Stromerzeugung von PV-Modulen liegt bei etwa 25 °C. Auf Dächern kann es bei starkem Sonnenschein jedoch zu einer deutlich höheren Temperatur (bis zu 80.°C) kommen, und die hohe Sonneneinstrahlung reflektiert zusätzlich. Dies führt zu einer Überhitzung der Module und einem Energieverlust. Auf begrünten Dächern hingegen sind die Sonnenreflexion und Oberflächentemperatur deutlich geringer, wodurch die Module nicht so stark aufheizen und die Stromerzeugung durchschnittlich um 4% gesteigert wird.17 Dies führt zu einer Ertragssteigerung von 19,2 € pro PV-Modul pro Jahr (Annahme: 0,48 €/kWh und 1.000 kWh Durchschnittsertrag pro Jahr). Die genaue Ertragssteigerung variiert laut Studien zwischen 0,7%18 und 17%19. Diese Schwankung wird durch verschiedene Faktoren wie die Farbe des Substrats, den Abstand zur Vegetation, die Wasserspeicherung im Aufbau und die lokalen Klimabedingungen erklärt. Jedoch auf Grund der Vielzahl an Studien, lässt sich eine klare Synergie feststellen. Basierend auf diesen Erkenntnissen gehen wir von einer realistischen durchschnittlichen Synergie von 4% aus.

Darstellung eines Solar-Gründachs

Fazit:

Dachbegrünungen bieten zahlreiche Vorteile, die sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte umfassen. Sie sind ein wissenschaftlich bewiesener essentieller Bestandteil im Kampf gegen den Klimawandel. Insbesondere tragen Sie dazu bei die Auswirkungen des Klimawandels, durch Kühlung und Wasserspeicher zu reduzieren und gleichzeitig die zsätzliche Umweltbelastung, durch Energieeinsparung, CO2 und Feinstaubbindung, Erhöhung der Langlebigkeit der Dachabdichtung und Steigerung der Stromerzeugung. Somit ist Dachbegrünung ein klimapositives Produkt. Weitere spannende Artikel findest du rechts in der Übersicht.

Limitation der Studienergebnisse

Die ökologischen Vorteile variieren je nach Schichtaufbau, spezifischer Pflanzenauswahl, Wasser Sättigung, lokales Klima und dem aktuellen Zustand des Daches (insbesondere der Dämmung).

Quellen

1 IPCC (2023): Climate Change 2023 Synthesis Report, S. 72

2 Getter et al. (2009): Carbon Sequestration Potential of Extensive Green Roofs, in: Environ. Sci. Technol. 2009, 43, S. 7564–7570

3 Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (2022): Methodik - Papier zum Handlungsfeld Planung und Bau: Gründachkataster NRW, S. 12

4 Gorbachevskaya/Herfort (2012): Feinstaubbindungvermögen der für Bauwerksbegrünung typischen Pflanzen, S. 28

5 Liesecke (1988): Untersuchungen zur Wasserrückhaltung extensiv begrünter Flachdächer, in: Zeitschrift für Vegetationstechnik, S. 56-66.

6 Bundeszentrale für politische Bildung (2021): Jahrhunderthochwasser 2021 in Deutschland

7 RKI (2022): Hitzebedingte Mortalität in Deutschland 2022, S. 3-10

8 Umwelt Bundesamt (2019): BAU-I-1 + 2 Wärmebelastung in Städten und Sommerlicher Wärmeinseleffekt

9 Köhler (2012): Handbuch Bauwerksbegrünung Planung – Konstruktion – Ausführung, S. 17

10 Scharf et al. (2012): Thermal performance of green roofs, in: World Green Roof Congress Copenhagen

11 BREsilent (2019): Kosten und Nutzen von grünen Klimaanpassungsmaßnahmen in Bremen: Fokus Dach- und Freiflächenbegrünung, S. 1

12 Hallman et al. (2017): More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas, in: PLoS ONE 12(10), S. 14-16

13 Pfoser (2007): Gebäude, Begrünung, Energie, S. 158

14 Hofmann (2017): Wildbienen auf Gründächern - Hoch hinaus, in: GebäudeGrün (2017/2), S. 25-29

15 Grinde/Patil (2009): Biophilia: Does Visual Contact with Nature Impact on Health and Well-Being?, in: International Journal of Environmental Research and Public Health 6(9): S. 2332-2243

16 Pfoser (2007): Gebäude, Begrünung, Energie, S. 122

17 Wölf, K. (2011): Dachbegrünung erhöht Erträge der Photovoltaik,in: EU PVSEC 2016, S. 1-4

18 Baumann et al. (2016): Performance Analysis of PV Green Roof Systems

19 Thomas (2018): Vertikale Solarpaneele: Gründach und Solaranlage müssen intelligent kombiniert sein, in Energie. Mark. Wettbewerb 6/18, S. 4 f.

20 Manso et al. (2021): Green roof and green wall benefits and costs: A review of the quantitative evidence. in: Renewable and Sustainable Energy Reviews, 135, S. 7

21 Casper et al. (2017): More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. in: PLoS ONE 12(10), S. 1

Daniel, der Autor dieses Artikels, ist der Gründer von heygrün und Experte für extensive Flachdachbegrünung. Wenn du Fragen zu diesem Artikel oder zur Dachbegrünung hast, schreibe ihm: info@hey-gruen.de »
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